Die Einteilung der Gesellschaft in eine politische Mitte und extreme Ränder ist ein gängiges Bild. Verschiedene Kritiken an dieser Konzeption zeigen jedoch, dass das Extremismusmodell erhebliche analytische Schwächen aufweist und zugleich politisch folgenreich ist. Es suggeriert klare Grenzen (zwischen Innen und Außen) die inhaltlich nur schwach bestimmbar sind und konstruiert eine gesellschaftliche „Mitte“ als per se „guten“, weil demokratischen Bereich. Darüber hinaus legt es Ähnlichkeiten zwischen linkem und rechtem „Rand“ nahe und verdeckt so den Blick auf wesentliche Unterschiede. Trotz dieser Mängel ist die Rede vom politischen Extremismus allgegenwärtig: In medialen Debatten, politischen Auseinandersetzungen und nicht zuletzt in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem, was als „Rechts-, Links- und Ausländerextremismus” bezeichnet wird. Selbst diejenigen, die das dahinter liegende Modell ablehnen, kommen kaum umhin, den Begriff zu verwenden.
Wie kam es dazu? Was macht das Extremismusmodell trotz seiner Schwächen so definitionsmächtig und attraktiv? Mit diesem Paradox wird sich der Workshop auseinandersetzen. Ziel ist es, über analytisch adäquatere wissenschaftliche Zugänge und Begriffe nachzudenken und Möglichkeiten zu entwickeln, diese für die praktische Arbeit fruchtbar zu machen. Grundlage dieser Überlegungen werden einerseits Analysen der Entstehung und Implikationen des Extremismuskonzepts sein. Andererseits werden analoge und abweichende Interventionen aus Gesellschaft und Politik diskutiert.
Zu diesen (und anderen) Bereichen rufen wir zur Einsendung von Beiträgen auf:
- Geschichte(n) des „Extremismus” und seiner Theorie: Wie hat sich das Extremismus-Modell entwickelt, wo liegen begriffliche und andere Anschlussstellen und Brüche? Wie stellt sich aus extremismustheoretischer Sicht das Verhältnis von Staat, Gesellschaft, Ordnung und Demokratie dar?
- Regierung und Verwaltung von „Extremisten” in der Praxis: Wie wirkt der Begriff in die staatliche, politische und pädagogische Praxis? Lässt sich eine politische Programmatik des Extremismus charakterisieren?
- Entwicklung und Vermittlung von Alternativen: Was sind Anforderungen an und Beispiele für analytische Alternativen? Und wie könnten diese auch in der politischen Praxis vermittelt werden?